„Als Kind war ich immer gespannt, was Gott mit meinem Leben machen würde.“

Statement zu: „Berufen – Glaubst du nicht? Bist du aber!“

Das Thema Berufung ist ein Thema, das viele Jugendliche und junge Erwachsene beschäftigt. In der letzten Ausgabe der Entschieden und auf Social Media gaben sechs von ihnen ein Statement ab, was Berufung für sie bedeutet. 

Als Kind war ich immer gespannt, was Gott mit meinem Leben machen würde. Die Frage nach meinem Traumberuf kurbelte meine Fantasie an. Ich wollte Sängerin werden, Schriftstellerin, Lehrerin oder Modedesignerin. Am besten alles gleichzeitig. Als Teenagerin war ich aufgeregt, welche Berufung Gott in mein Leben sprechen würde. Mein Glaube wurde mir immer wichtiger, und ich habe Gott in meinen Berufswunsch eingebunden. Plötzlich wollte ich Lobpreislieder oder christliche Romane schreiben. Meine Ideen waren vielfältig, doch Gott sollte Mitspracherecht bei meiner Berufswahl haben. Ich wartete darauf, dass er mir sagen würde, was ich mit meinem Leben machen sollte. So sehr ich es mir auch wünschte, ich hörte nichts. Als ich das Abi in der Tasche hatte, kam in mir die Angst auf, mich falsch zu entscheiden. Was war bloß Gottes Weg für meine Zukunft? Was, wenn ich Gottes Stimme überhören würde? Was, wenn ich Gottes Berufung nicht mögen würde? Ich war wie gelähmt wegen dieser Ängste und Fragen. Ich habe Gott in meine Studienwahl miteinbezogen und viel zu ihm gebetet, doch da war nie eine Stimme, die mir genau gesagt hat, was ich machen soll. Kein Gefühl, einfach zu wissen, was Gott mit meinem Leben vorhat. Da war ich schon ein bisschen enttäuscht. Ich lernte Menschen kennen, die eine klare Berufung von Gott erhalten hatten. Ich las Bücher von bedeutenden Missionaren, die Gottes Ruf in fremde Länder gefolgt waren, und fühlte mich dabei schlecht.  

Ich erwischte mich oft dabei, wie ich mich mit Menschen in meinem Alter verglich. Freundinnen, die in ihrem Berufsfeld jeden Tag Menschen helfen können. Familienmitglieder und Bekannte, die predigen, missionieren und sichtbar Gottes Reich aufbauen. Sie schienen ihre Berufung gefunden zu haben. Es schlich sich die Frage ein, wieso ich keine persönliche Berufung erfahren habe. Wieso Gottes Plan für mein Leben nicht so klar ersichtlich war, obwohl ich ihm davon die Ohren vollgequatscht habe.  

Im Auslandsjahr auf einer Bibelschule nahm ich mir die Zeit, über meine Zukunft nachzudenken und zu beten. Außerdem las ich viel in der Bibel und suchte nach Stellen, die von Berufung sprachen. Berufung, da dachte ich an die Helden der Bibel. Menschen wie Mose oder Petrus. Paulus oder David. Große Anführer, Missionare und Könige. Menschen, denen Gott einen Auftrag gegeben hat. Sie haben den Ruf erhalten, etwas für und mit Gott zu tun. Allerdings wird in der Bibel im Zusammenhang mit Berufung selten von persönlichen Berufungen gesprochen. Es steht auch nirgends, dass jeder und jede einen ganz besonderen Auftrag von Gott bekommt. Stattdessen spricht die Bibel von einer Berufung, die für alle Christen und Christinnen gilt. Wir alle sind dazu berufen, Gott zu kennen und ihm nachzufolgen. Er beruft uns dazu, heilig zu leben: „Denn Gott hat uns nicht zur Unreinheit berufen, sondern zur Heiligung“ (1.Thessalonicher 4,7).  Er beruft uns dazu „[…] Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn“ zu haben (1.Korinther 1,9). Er hat uns zur Freiheit berufen, dazu, Gottes Liebe im Herzen zu tragen und diese an andere weiterzugeben.  

Als ich das zum ersten Mal so gehört habe, ist eine riesige Last von mir abgefallen. Ich hatte lange darauf gewartet, dass Gott mir sagen würde, was ich machen soll. Vielleicht wollte Gott mir aber vor allem sagen, wie ich leben soll. Was und wo wurden immer unwichtiger. Das wie rückte in den Mittelpunkt. Mein Verständnis von Berufung stand bis dahin in direktem Verhältnis zu meinem Verständnis des Begriffs Beruf. Das Verständnis von Berufung in der Bibel ist viel mehr als ein Beruf. Die Berufung für uns alle ist allgemein und übergeordnet. Die Stellen in der Bibel, die von unserer Berufung sprechen, zielen viel eher auf unsere Herzenshaltung ab, nicht auf unseren Lebensinhalt.  

Die Helden in der Bibel, die von Gott benutzt worden sind, haben ihren Ruf teilweise erst im hohen Alter erhalten.  Mose oder Josua haben erst als alte Männer die bekannten Abenteuer mit Gott erlebt. Ich liebe die Geschichte von Mose. Die ersten 80 Jahre seines Lebens hat Mose keine persönliche Berufung von Gott bekommen, jedenfalls lesen wir davon nichts in der Bibel. Stattdessen wuchs er als Ziehkind des Pharaos auf, war auf der Flucht und hütete dann Schafe. Das Dasein als Hirte war allerdings nicht Gottes Berufung für Mose. Die Berufung kam später. Gewirkt hat Gott auch in den frühen Jahren Moses Lebens. Er hat ihn vorbereitet auf die Aufgabe, die er für ihn hatte. Mit 80 Jahren berufen. Davon bin ich mit Anfang 20 noch weit entfernt. Die Missionarin Corrie ten Boom hat die ersten Jahre ihres Lebens als Uhrmacherin in einem Laden ihrer Familie gearbeitet. In diesen Jahren kannte sie Gott schon und hat auf seine Stimme gehört. Die Berufung, Menschen von Gottes Vergebung und bedingungsloser Liebe zu erzählen, kam erst in der zweiten Hälfte ihres Lebens, mit 50. Natürlich sehen wir sowohl in der Bibel als auch heutzutage Gegenbeispiele. David wurde schon jung von Gott zum zukünftigen König berufen. Trotzdem beeindrucken mich Mose und Corrie und sie sind Beispiele dafür, dass Gott Menschen unabhängig von ihrem Alter gebraucht. Persönliche Berufung sieht also bei jedem Menschen unterschiedlich aus. Es hat eine Weile gedauert, bis ich gelernt habe, dass Alter und Berufung nichts miteinander zu tun haben. Gott, der außerhalb von Raum und Zeit steht, wird nicht jeden von uns zum gleichen Zeitpunkt berufen. 

Abgesehen vom Zeitpunkt meiner Berufung hat mich auch deren Inhalt beschäftigt. Die Vorstellung, dass Gott mich zu etwas beruft, hat mir Sorgen gemacht. Was, wenn er von mir verlangen würde, in ein fremdes Land zu reisen, um dort zu missionieren? Was, wenn ich meine Berufung nicht mögen würde und Gott zu viel von mir verlangen würde? In diesem Punkt muss ich mir Gottes Wesen vor Augen rufen. Gott ist mein liebender Vater und Freund. Er will mich nicht ausbeuten, ärgern oder mir unmögliche Aufgaben stellen. Gott will mich nicht als Marionette, die für ihn Arbeit verrichtet. Sein Wille für mein Leben ist nichts, was mir Angst machen sollte. Natürlich stimmt es, dass Gott auch in unseren Schwächen wirkt und wir durch ihn Dinge tun können, die uns zuvor überfordert oder Angst gemacht haben. Er wird uns aber zu nichts berufen, wofür er uns nicht ausrüstet. Würde ich meinen Eltern erzählen, Gott hätte mich dazu berufen, Ärztin zu werde, würden sie wahrscheinlich stutzen. Ich kann nicht nur schlecht Blut sehen, sondern habe auch große Angst vor Nadeln. Gott hat uns nicht umsonst Begabungen und Leidenschaften geschenkt. Er wünscht sich, dass wir mit ihm zusammen lernen, diese zu entwickeln und einzusetzen. Es müsste ein sehr großes Wunder geschehen, damit ich eine gute Ärztin werden könnte. 

Berufung ist also kein Zwang. Gott ist kein Gott des Zwangs, er beruft uns zur Freiheit und lässt uns die Wahl. Manchmal hätte ich mir sogar gewünscht, Gott hätte mir klipp und klar gesagt, welchen Beruf er sich für mich ausgesucht hat. Inzwischen bin ich dankbar, dass ich selbst darauf kommen musste. Dankbar, dass ich meine Zukunft mit Gott zusammen gestalten kann und Gott mir keinen Befehl gegeben hat. So habe ich über Irrwege gemerkt, was mir Spaß macht und wo meine Begabungen liegen. Gott hat dann die notwendigen Türen geöffnet. Dieser Prozess hat mich gelehrt, mit Gott zusammen Entscheidungen zu treffen und ihm zu vertrauen. Meine Suche nach dem richtigen Berufsfeld war nicht einfach und verlief nicht geradlinig. Ich habe mein Studienfach gewechselt und weiß auch jetzt noch nicht genau, welchen Job ich später haben werde. Was ich allerdings gefunden habe, ist Berufung. Nicht die spezifische, persönliche Berufung, die Mose und David erfahren habe. Ich habe die Berufung Gottes verstanden, ihm nachzufolgen und in Beziehung mit ihm zu treten.  

Es war für mich wichtig, mich von dem Druck zu lösen, alles zu tun, um eine Berufung zu finden. Wir müssen unsere Berufung nicht selbst finden. Nicht umsonst heißt es Be-ruf-ung. Der Ruf geht immer von Gott aus. Solange wir diesen Ruf nicht hören, gilt für uns die Berufung der Bibel. Den perfekten Beruf finden, die Karriereleiter hochklettern und erfolgreich sein. Bei Gott sind diese Dinge nicht wichtig. Die Welt um uns herum sagt, dass wir das alles schaffen müssen. Gott möchte, dass wir ihn ehren und ihm treu sind. Seinen Namen sollen wir groß machen und das Evangelium weitergeben, egal in welchem Beruf wir tätig sind, oder was unseren Alltag füllt. Ob wir in die Schule gehen, eine Ausbildung machen oder in einem Büro arbeiten, spielt keine Rolle. Als Vollzeit Mutter oder als Rentner, wir sollen die uns anvertraute Aufgabe treu verrichten. „Und alles, was ihr tut, das tut von Herzen, als für den Herrn und nicht für Menschen“ (Kolosser 3,23). Dieser Vers motiviert mich an Tagen, wenn die Online-Uni anstrengend ist. Wenn mein Nebenjob mir viel abverlangt und ich mich in Tagträumen zu verlieren drohe. Der Vers sagt mir, dass ich Gott lobe, wenn ich meine Tätigkeiten ernst nehme und mit freudigem Herzen verrichte. Das fällt mir zwar nicht leicht, doch Gott erinnert mich immer wieder daran. Ich glaube, ihn zu kennen und zu lieben ist Gott so viel wichtiger als erfolgreich und angesehen in unserem Beruf zu sein. Er sieht unser Herz an und wünscht sich, dass wir ihm den ersten Platz darin einräumen. Ein Beruf ist nie wichtiger als Gott. Dasselbe gilt, denke ich, auch für eine Berufung. Wenn die Tätigkeit, die Gott uns anvertraut, wichtiger wird als die Beziehung zu Gott, sollten wir uns Gedanken machen. Ich glaube, ich habe mich immer so sehr nach einer Berufung gesehnt, weil damit eine gewisse Bestätigung einhergeht. Menschen, die genau wissen, was sie machen wollen, wirken auf mich zielstrebig und fleißig. Mein stolzes Herz sehnt sich nach Anerkennung und Bewunderung für das, was ich tue. Der Vers aus Kolosser 3,23 warnt uns davor, unseren Beruf auszuüben oder unseren Alltag mit Dingen zu füllen, um Menschen zu beeindrucken. Es geht nicht darum, vor anderen gut dazustehen. Viele meiner eigenen Sorgen kamen durch das Vergleichen. Ich habe von Berufungen anderer gelesen oder gehört. Nach links oder rechts zu gucken hat mich unsicher und unzufrieden gemacht. Sicherheit und Freude an meinen Aufgaben finde ich nur, wenn ich nach oben, nämlich zu Gott, schaue.  

Die Fragen bleiben. Gibt es für mich eine bestimmte Berufung? Wann wird der Moment kommen, wenn ich einen klaren Ruf von Gott höre? Ich weiß es nicht. Bis ich diese Fragen beantworten kann, möchte ich die Berufung, von der ich in der Bibel lese, ernst nehmen. Ich will Jesus zu meiner Priorität machen und ihm immer ähnlicher werden. Vor allem möchte ich den Blick von anderen lösen und auf Jesus schauen. Je mehr ich mein Hören auf Gott und unsere Beziehung schärfe und stärke, desto leichter wird es mir fallen, einen Ruf zu hören, wenn er kommt.  

Magdalena Roth

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