„Suche, was dir Mut macht!“

Das Sana-Krankenhaus Gottesfriede in Woltersdorf hat mit Thomas Hölzemann einen neuen Krankenhaus-Seelsorger. Im Interview berichtet er über Mut, Angst und was junge Menschen mit einer Fachklinik für Geriatrie zutun haben.

Die Fragen stellte Stefanie Ramsperger.

Kranken Menschen Mut machen – wie geht das?

Es wäre schön, wenn es da eine einfache Methode gäbe, die immer funktionieren würde und die ich dann schnell mal anwenden könnte. Das ist leider nicht so. Ich denke aber, dass ganz wichtig ist einen kranken Menschen nicht alleine zu lassen. Wenn ich selbst an Situationen denke, in denen ich Mut brauchte, dann denke ich immer an Begleiter, die mir irgendwie Nähe gezeigt haben. Nicht jeder schöpft Mut aus den gleichen Quellen. Manch einer braucht eine Hand zum Festhalten. Andere brauchen Information und Klarheit aus Gesprächen.  Manche finden Kraft und Mut eher in emotionalen Momenten. Musik kann vielleicht helfen. Einige, eher Wenige, suchen bewusst Gottes Nähe im Gebet, in Liedern und Bibelworten. Dafür gibt es hier im Krankenhaus Angebote, wie z.B. den Patientengottesdienst. Darüber hinaus und in alledem ist  für mich auch ein guter, angemessener und liebevoller Humor wichtig. Das erlöste Lachen, das seinen tiefen Grund in der Auferstehungshoffnung hat, kann Wunder wirken.  Gleich wie – all dies geschieht viel besser im Miteinander und im Austausch. „Jemandem Mut machen“ klingt für mich fast schon etwas herablassend. „Gemeinsam Mut schöpfen.“ Das klingt für mich nach Augenhöhe.

Jesus kann Menschen gesund machen. Warum passiert das – trotz Gebet – nicht bei allen?

Was ist „gesund“? Was ist „krank“? Und wie wirkt Gebet? Darüber lassen sich dicke Bücher schreiben und lesen. Gebet steht immer unter dem Vorbehalt: „Dein Wille geschehe“. Kranksein und Gesundwerden, auch das liegt alleine in Gottes Hand. Gott macht gesund, nicht das Gebet an sich.

Ganz so leicht will ich es mir mit der Antwort allerdings auch nicht machen. Ja, ich glaube fest daran, dass Jesus heilen kann. Aber bedeutet „Heil-Werden“ auch unbedingt die Abwesenheit von „Krankheit“? Kann es nicht ausgesprochen „gesund“ sein, wenn ein Mensch in guter Weise mit seinen natürlichen, körperlichen Gebrechen leben lernt? Ich glaube, dass wir die solche Fragen nicht nur von uns aus bewerten und beantworten dürfen. Gott schenkt Leben. Dieses Leben erfährt seinen Wert durch gesunde Beziehungen, nicht durch Unversehrtheit und Funktionalität. Wenn ich das so betrachte, dann wirkt Gebet plötzlich viel häufiger, als gedacht.  Es schafft Beziehung zu Gott. Es schafft in der Fürbitte auch Beziehungen zu Menschen und zur Welt. Es öffnet meine oft begrenzte Lebenssicht hin in die große, heilvolle Weite Gottes. Und irgendwie macht mich das auf ganz besondere Weise „gesund“, selbst wenn eine Krankheit Teil meines Lebens bleibt. Und das Beten geht ja weiter und ist nicht nur eine besondere Art von einmaligem Behandlungsschritt.

Krankheit ist oft mit Angst verbunden. Was rätst du Menschen, die in ihrer Situation Angst haben?

Zum einen gilt hier auch die Antwort auf die erste Frage. Wenn immer möglich, teile Deine Angst und Sorge mit anderen! Manchmal ist dies der Partner oder die Partnerin oder jemand aus der Familie. Manchmal kann es der Zimmernachbar im Krankenhaus sein oder auch eine regelmäßige Besucherin. Manchmal der Pfleger oder die Ärztin. Gemeinsam könnt Ihr reden, nachfragen und vor allem auch gemeinsam aushalten, dass etwa langsamer oder gar nicht mehr geht. Ich kann nur ermutigen, zu seinen Ängsten zu stehen. Sie gehören dazu. Und ich kann sie teilen. Miteinander ist die Angst oft viel einfacher zu bewältigen.
Darüber hinaus wäre auch mein Rat: Suche, finde und pflege das, was Dir Mut macht! Wenn im Leben gerade Vieles unsicher und unklar wird, dann hilft es, ganz bewusst das zu suchen und zu sehen, was Dir Halt gibt. Es ist wunderbar, wenn jemand diesen Halt im Glauben hat. Es ist so wertvoll, wenn jemand darauf vertraut, dass sein Leben durch Jesus Christus getragen und bestimmt wird. Dazu lade ich natürlich gerne ein. In der Realität meines Alltags ist dies allerdings eher selten. Die Mehrheit der Menschen, denen ich hier begegne, kennen diesen Glauben nicht. Einige lehnen ihn bewusst ab. Und dennoch: Gott wirkt auf so viele Art und Weise und vielleicht auch auf Wegen, die ich selbst nicht kenne. Darum ist es doch auch gut, wenn ein erkrankter Mensch die guten Dinge, die tragenden Beziehungen, die stärkenden Gepflogenheiten seines Lebens bewusst weiter pflegt und gestaltet. Eben gerade erzählte mir eine Patientin, dass sie schon immer die Natur liebte und dass der Blick zum Himmel und in die Wolken sie ruhig werden lässt. Es war schön, diesen Blick einen Moment mit ihr zu teilen. Auch so wirkt Gott, der Schöpfer, hinein ins Leben und kann Ängste verstummen lassen. 

Jesus sagt: Fürchte dich nicht. Das ist leichter gesagt als getan. Was kann ein Krankenhausseelsorger eigentlich leisten – und wo sind die Grenzen?

Vielleicht werde ich auf diese Frage nach einigen Dienstjahren im Krankenhaus viel besser antworten können. Im Moment mochte ich erst einmal „Da sein! Aufmerksam und wach sein! Offen, freundlich und zugewandt sein!“ Ich habe das große Privileg in einem oft auch hektischen Krankenhausbetrieb Zeit für Begegnungen zu haben.  Das möchte ich nutzen.

Ich kann als Krankenhausseelsorger niemanden gesund machen oder therapieren. Ich kann die meisten Probleme der Patientinnen und Patienten nicht einfach mal lösen. Als Seelsorger muss ich wissen, wo Seelsorge endet und medizinisches und therapeutisches Handeln gefragt ist. Doch allein die Tatsache, dass ein Seelsorger da ist, der mal zuhört, redet, tröstet und auch betet ist viel Wert.

Auch die Patientinnen und Patienten selbst setzten oft Grenzen. Manche wollen gar nicht direkt mit einem Seelsorger zu tun haben. Allerdings haben die Wenigsten etwas gegen ein freundliches Gespräch und einen Augenblick Ablenkung einzuwenden.

Ansonsten bin ich an viele Vorgaben des Klinikalltags gebunden und muss – auch das ist eine Grenze – oft einsehen, dass viele dieser Abläufe hier Priorität haben. Ich suche mir dann die passenden Momente und Nischen für die Seelsorgearbeit.

Dein Job ist Kräftezehrend. Wo und wie tankst du auf?

Im Moment – ganz zu Beginn dieser Aufgabe – erlebe ich eher, dass mir die Aufgabe Kraft gibt. Besonders aus den Patientengesprächen gehe ich zur Zeit selbst gestärkt hinaus. Die wichtigste Kraftquelle sind für mich die Momente, in denen ich spüre: Gottes Geist wirkt auf irgend eine Weise. Das können ganz verschiedene Momente sein, auch innerhalb meiner Arbeit. Eine gutes theologisches Buch kann mich genauso aufbauen, wie eine liturgische Andacht oder eine lebensnahe Predigt. Und oft ist es auch das entspannte Kaffeetrinken mit lieben Menschen zusammen.

Ansonsten genieße ich gerne mal eine Wanderung oder eine Radtour. Mal schauen, wann mein Motorrad wieder fahrbereit ist. Und wirklich abschalten kann ich besonders auch auf dem Stehplatz in der Alten Försterei, wenn Union Berlin spielt.

Welche Musik liebst du?

Ich höre mir gerne viele verschiedene Musikstile an und kann ganz vielen davon etwas abgewinnen. Ich freue mich über manche inhaltsreiche Lobpreislieder genauso wie über den gut gesungenen Choral im Gottesdienst. Eigentlich mag ich, wenn ich spüre, dass Musik Menschen begeistert, abholt und berührt. Dann ist es fast egal, welche Stilrichtung sie hat. Ganz persönlich bin ich dann doch eher für handgemachte, bodenständige und knackige Rockmusik zu haben. Auch härtere Gitarrenriffs schrecken mich nicht. Allerdings kann ich immer wieder auch feinsinnigen und tiefgründigen Songwritern viel abgewinnen.

Was hältst du von Tieren in Pflegeeinrichtungen?

Grundsätzlich finde ich das super. Es gibt immer ein paar Rahmenbedingungen, die geklärt sein müssen. Im Krankenhaus selbst ist es wahrscheinlich schwierig. Aber in Pflege- und Therapieeinrichtungen kann es eine gute Sache sein, mit Tieren zu arbeiten.

Was möchtest du jungen EClerinnen und EClern über das Krankenhaus sagen?

Das Krankenhaus in Woltersdorf ist eine geriatrische Fachklinik. Hier begegne ich in der Regel Menschen höheren Alters. Die Erzählungen und Lebensschicksale sind manchmal bewegend. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen sich täglich vielen Herausforderungen gegenüber, tun ihren Dienst mit Leidenschaft und Überzeugung, und müssen dabei die hohen Anforderungen im Pflege- und Gesundheitssektor aushalten.
Direkt nebenan zum Krankenhaus befindet sich das Freizeithaus des EC. Gegenüber auf der anderen Straßenseite findet man eine christliche KiTa. 3 Fußminuten entfernt bietet das Hospiz Raum für sterbende Menschen  Das Krankenhaus liegt in Brandenburg,  südöstlich Berlins. Die Patientinnen. Patienten und Mitarbeitenden sind zum Großteil nicht kirchlich sozialisiert und können mit unserer Frömmigkeit ganz wenig anfangen. Und doch fragen und suchen so viele nach Glück und Sinn im Leben und stellen Fragen.

Kurz gesagt: Hier ist ein Ort voller Leben. Und Gott ist mittendrin. Ganz bewusst nennt sich das Krankenhaus: „Sana Krankenhaus Gottesfriede Woltersdorf gGmbH“. Hier trifft Gottes Friede auf den Alltag. Hier ist täglicher diakonisch-missionaler Einsatz gefragt. Ich finde das ein hochspannendes Arbeitsfeld und freue mich zuallererst, wenn viele EClerinnen und ECler diesen Ort im Blick haben und für ihn beten. Was mit weiterhin am Herzen liegt:  Das Sana Krankenhaus Gottesfriede ist ein Paradebeispiel für die „OUT“-Dimension der EC-Grundsätze. Ich staune, welche Möglichkeit und Offenheit zum Mitwirken für Christen in diakonischen Aufgaben besteht. Besuchsdienste, Gottesdienste, musikalische Angebote – Überall offene Türen und Möglichkeiten. Vielleicht geht das ja nicht nur in Woltersdorf, sondern auch an den einzelnen EC-Orten leichter, als man manchmal denkt.

Welche (offenen) Stellen gibt es im Krankenhaus für junge Menschen?

Wir haben in verschiedenen Bereichen offene Stellen:  Im Pflegebereich: als Pflegefachkraft oder Pflegehelfer, als Medizinische Fachangestellte, als Auszubildende in der Pflege, als FSJler/ Bufti, oder einfach als Hospitanten zum „Reinschnuppern“ in den Beruf. Im Therapiebereich (Physiotherapie, Ergotherapie, Sprachtherapie, Psychologie und im Sozialdienst): als Praktikanten, als Auszubildende oder schon ausgelernte Therapeuten. Sana bietet zudem auch Praktika im Verwaltungsbereich an. Unter www.sana.de/woltersdorf lässt sich gut stöbern, suchen und finden.

Der Deutsche EC-Verband hatte das Krankenhaus seit der Wende eigenständig betrieben und zu einer der besten geriatrischen Fachkliniken Deutschlands ausgebaut. Vor zwei Jahren hat der Deutsche EC-Verband die Mehrheitsanteile der Klinik an die Sana AG verkauft. Das Leitbild des Krankenhauses, „Dem Leben Hoffnung geben“, ist geblieben. Der EC ist als Gesellschafter weiterhin für die geistliche und seelsorgliche Arbeit im Krankenhaus verantwortlich.

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